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15 Juni 2017

APULIEN – AUS LIEBE ZUR PASTA

Auf der Straße locken mich Küchendüfte. Sie gleiten unter den Vorhängen hindurch wie die Mauersegler, deren Flügelspitzen fast den Boden berühren. Morgen ist Sonntag, und wie die meisten einheimischen Frauen möchte auch ich ein Fleisch-Ragout bereiten: das „ragù con le braciole di carne“.

Apulien fasziniert nicht nur mit seinen bezaubernden Landschaften und seinem reichen kulturellen Erbe, sondern auch mit seiner einfachen und überaus leckeren Küche. Immer wieder überrascht mich die Schlichtheit einiger Gerichte, die an ländliche Traditionen erinnern. Das Bohnenpüree mit Endivien ist deshalb so ausgezeichnet, weil es die leicht bittere Note des Gemüses mit der sämigen Struktur der Bohnen verbindet.

Einige Frauen nehmen eine große Holztafel (Spianatoia), stellen sie auf ein Gestell außerhalb des Hauses, schütten Hartweizenmehl auf, und mit einem gezielten Schlag formen sie einen Krater, in den sie warmes Wasser geben und eine Prise Salz. Mit den Händen werden Mehl und Wasser allmählich zu einer Masse vermischt. Die Frauen spüren in den Händen, wann der Teig so weit ist, um daraus Orecchiette zu formen: die typisch apulischen Öhrchen-Nudeln.

Während sie den Teig ausrollen, unterhalten sie sich mit ihren Nachbarinnen über die Ereignisse des Tages, und unter ihren Fingerspitzen entstehen immer feinere Schnüre, die in kleine Teile geschnitten werden. Und dann beginne ich wie gebannt auf ihre Finger zu schauen. Mit einem flachen Messer und dem Daumen streichen sie ein Teigstückchen so auf die Tavoliere, dass dabei (O Wunder!) ein kleines Öhrchen entsteht.

Während ich dies berichte, haben die wunderbaren Massaie schon zwei Dutzend Orechiette geformt. Ihre geübten Hände arbeiten wie von selbst, während sie angeregt plaudern.

Die Orechiette-Manufaktor ist ihre Art, frische Pasta zu bereiten. so einfach und doch voller Geschichte und Tradition, die es so nur in Apulien gibt.

Am nächsten Tag sind die Orecchiette angetrocknet. Nun werden sie gekocht und serviert mit dem dunklen und schmackhaften Fleisch-Ragout, das schon seit dem Morgen auf dem Feuer steht.

Zur Schönheit des Städtchens gehört auch dieser Duft, der am Sonntagmorgen durch die Straßen zieht: Er kündet von einem typisch apulischen Gericht, zu dem man ein gutes Glas Primitivo gehört. (Eine der ursprünglichen Rebsorten Apuliens.)

Voll Verwunderung schaue ich auf die Hände dieser Frauen, und ich habe keine Ahnung, wie sie das machen. Die Signora Nina kenne ich, weil sie mir immer die Trulli zeigt, die zum Übernachten angeboten werden. Weil ich sie so anstarre, lächelt sie mich an: Ob ich Lust habe, es zu lernen? Hilfsbereit wie immer lädt sie mich ein, mich zu ihnen zu gesellen. So könne sie mir genau zeigen, wie man den Teig bearbeiten muss. Mit einem Anflug von Enthusiasmus sage ich zu, und sie lacht über meine ersten ungeschickten Versuche. Jetzt muss auch ich lachen, und ich bekomme Spaß an der Sache.

„Pass auf, Delia, nimm dir ein Teigstückchen und den Rest wickelst du in ein Tuch.“ Das sagt mir in aller Ruhe eine ältere Frau.

Ich muss zu ihnen zurückkehren, um meinen Kochkurs fortzusetzen. Beim nächsten Mal zeigen sie mir, wie man Orecchiette mit „Cime di Rape“ (Stängelkohl) bereitet. Einfach so, aus Liebe zu Apulien und zur Pasta.

 

Cover-Bild: „Nonna Raffaela“ von Giuseppe MasiliEinige Rechte vorbehalten

Einen besonderen Dank an Uwe, Klara unt Anja Knipper für die Übersetzung.

Kategorie: Erfahrungen